Verkehrsunfall: Was tun?


Im Durchschnitt ereignen sich laut Astat-Angaben in Südtirol täglich mehr als drei Unfälle mit Verletzten oder Toten. Im Jahr 2009 wurden 1.225 Verkehrsunfälle gezählt, bei denen 35 Personen starben und 1.592 verletzt wurden. Auch wenn niemand daran denken mag, so sollte man auf solch einen Notfall nicht gänzlich unvorbereitet sein, damit durch das richtige Verhalten der Schaden so klein wie möglich gehalten wird.

Hier einige Tipps und Antworten rund ums Thema „Verkehrsunfall“.

Erste und wichtigste Regel im Falle eines Verkehrsunfalls ist es, möglichst Ruhe zu bewahren. Die Unfallstelle ist unverzüglich abzusichern: Warnblinkanlage einschalten, Sicherheitsweste anziehen und das Warndreieck in mindestens 50 m Entfernung aufstellen. Die Gefahrenzone sollte verlassen und die Rettungskräfte benachrichtigt werden. Dafür steht die Notrufnummer 118, die Nummer der Straßenpolizei 113 und die Nummer der Carabinieri 112 zur Verfügung.
Wenn es Verletzte gibt, muss Erste Hilfe geleistet werden. Wer geschult ist, wird Atmung und Puls kontrollieren, den Verletzten in die stabile Seitenlage bringen, Blutungen stillen usw. Ungeschulte leisten hingegen psychologische Hilfe, indem sie mit den Verletzten reden und Anteilnahme signalisieren, bis die Rettung kommt.
Bei Unfällen mit kleineren Sachschäden sollten die betroffenen Fahrzeuge an den Straßenrand gefahren werden, um den Verkehrsfluss nicht zu behindern.

Wie geht es nun weiter?

  • 1) Was ist der europäische Unfallbericht und wann sollte dieser verwendet werden?
    Der europäische Unfallbericht, auch CAI genannt, ist ein einheitliches Standardmodell. Er sollte immer in all seinen Punkten ausgefüllt werden, auch in Anwesenheit der Ordnungskräfte. Dieser Unfallbericht ist nicht dazu da, die Schuldfrage an Ort und Stelle zu klären, sondern vielmehr um das Geschehene schriftlich festzuhalten. Wenn die Meinungen über den Unfallhergang nicht übereinstimmen, sollte der Unfallbericht nicht unterschrieben werden. Notfalls kann auch ein getrennter Unfallbericht ausgefüllt werden.

  • 2) Innerhalb welcher Frist muss der Schaden der eigenen Versicherung gemeldet werden?
    Die Schadensmeldung sollte innerhalb der darauffolgenden drei Tage nach Unfall bei der eigenen Versicherungsagentur bzw. -gesellschaft erfolgen.

  • 3) Wie funktioniert die Ausbezahlung des Schadens?
    Bei der Ausbezahlung des Schadens muss prinzipiell zwischen zwei Arten unterschieden werden:

    - Die „direkte Schadensauszahlung“ wird bei jenen Unfällen angewandt, in welche nur zwei in Italien zugelassene und versicherte Fahrzeuge verwickelt sind; das können PKWs, LKWs, Motorräder sowie Kleinmotorräder mit neuem Kennzeichen (diese wurden mit 14.07.2006 eingeführt) sein. Durch dieses System erhält der Geschädigte den Schadenersatz direkt von seiner eigenen Versicherungsgesellschaft und muss sich nicht an die Gegenpartei bzw. dessen Versicherung wenden.

    - Das zweite System hingegen sieht vor, dass der Geschädigte sich mit seiner Schadenersatzforderung an die Versicherung der Gegenpartei wenden muss. Dieses System wird dann angewandt, wenn die Modalitäten des Unfalls nicht in die der direkten Schadensauszahlung fallen, z.B. ein Verkehrsunfall mit drei verwickelten Unfallparteien.

  • 4) An wen muss sich der geschädigte Beifahrer wenden und wer kommt für den Schaden auf?
    Der Beifahrer ist immer über die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeuges versichert an dessen Bord er sich befindet, unabhängig davon wie die Schuldfrage aussieht.

  • 5) Was geschieht, wenn die Schuldfrage nicht eindeutig ist?
    Das Gesetz sieht im Zweifelsfall immer die beidseitige Schuld vor. Bis zum Beweis des Gegenteils geht man also von einer Schuldaufteilung von 50/50 aus. Das bedeutet, dass beide Unfallparteien je die Hälfte ihres Schadens ausbezahlt bekommen.

  • 6) Der Wert des Autos ist geringer als der Reparaturbetrag? Was steht dem Geschädigten zu?
    Vor allem dann, wenn der Geschädigte ein älteres Fahrzeug fährt, geschieht es, dass eine Reparatur mehr kosten würde als der eigentliche Wert des Autos. In diesem Falle bezahlt die Versicherung nur bis zu dem Betrag, der dem aktuellen Wert des Fahrzeuges entspricht. Nützt der Geschädigte diese Gelegenheit, um sich ein neues Fahrzeug zu kaufen, stehen ihm folgende Positionen zu: Wert des Fahrzeuges, Verschrottungskosten, Kosten für die Zulassung des neuen Fahrzeuges und jener Teil der Autosteuer, der noch nicht genossen wurde.

  • 7) Wie wird der Sachschaden bemessen?
    Der Sachschaden entspricht normalerweise den Kosten, die für die Reparatur des Fahrzeuges aufgebracht werden müssen und ist daher sehr einfach zu quantifizieren. Dazu kommen noch eventuelle Kosten für den Abschleppdienst und bei sehr aufwendigen und langen Reparaturzeiten ein weiterer Tagessatz für den so genannten „Autostillstand“ (Schadenersatz für die Unnutzbarkeit des eigenen Fahrzeuges). Der Tagessatz ergibt sich aufgrund verschiedener Parameter wie z.B. Wert des Fahrzeuges, Hubraum, Modell und weiteren Kriterien. Anstelle des Tagessatzes kann auch die Spesenrückerstattung für ein gleichwertiges Leihauto beantragt werden.

  • 8) Wie wird der Personenschaden bemessen?
    Der Personenschaden hängt vom Verletzungsgrad der betroffenen Person ab. Für jeden Tag an dem der Geschädigte absolut arbeitsunfähig ist, wird ihm ein bestimmter Tagessatz anerkannt. Momentan liegt dieser durchschnittlich bei 43,16 Euro (hängt von der Tätigkeit des Betroffenen ab). Wurde die betroffene Person so schwer verletzt, dass in Zukunft eine Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit vorauszusehen ist, so wird dieser Schaden abgegolten.
    Für eine festgestellte bleibende Invalidität von 1-9% gibt es genaue gesetzliche Vorgaben welche die Höhe dieser Entschädigung je nach Alter und Prozentsatz festlegen. Für bleibende Schäden von 10% oder mehr werden Gerichtstabellen zur Schadensbewertung herangezogen. Die Schadensbewertung bzw. die Festlegung der Invaliditätsgrade erfolgt durch einen rechtsmedizinischen Gutachter.
    Bei sehr schwerer Invalidität hat der Betroffene Anrecht auf weitere Entschädigungsauszahlungen (wie z.B. moralischer Schaden ...).

  • 9) Was wenn der Unfallverursacher flüchtet?
    Für den Fall, dass der Unfallverursacher einfach flüchtet und nicht mehr identifiziert werden kann, gibt es den Garantiefond für Straßenverkehrsopfer (Fondo Vittime della strada). Aus diesem Fond wird Schadenersatz geleistet, wenn das Unfallopfer verletzt wurde. Bei sehr schweren Personenschäden wird unter Abzug eines Selbstbehaltes von 500,00 Euro auch Schadenersatz für Sachschäden geleistet.

  • 10) Was geschieht bei Unfällen mit einem ausländischem Fahrzeug?
    Kommt es in Italien zu einem Verkehrsunfall mit einem ausländischen Fahrzeug, wird nicht die sogenannte Direkte Schadensauszahlung angewandt. Zuständig für Unfälle mit ausländischen Fahrzeugen ist das „Ufficio Centrale Italiano“ kurz UCI genannt. Der Geschädigte muss die Schadensmeldung per Einschreiben mit Rückantwort an dieses Büro senden. Über das UCI wird die ausländische Versicherung kontaktiert, welche wiederum eine italienische Gesellschaft für die Schadensfallbearbeitung ernennt.


  • 11) Was geschieht bei Unfällen im Ausland mit einem ausländischem Fahrzeug?
    Gemäß einer EU-Richtlinie müssen Versicherungen in jedem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, außer dort, wo sie ihren Geschäftssitz haben, einen Schadenregulierungsbeauftragten ernennen. Dank dieser Regelung können in Italien wohnhafte Personen, die durch einen Autounfall - in einem Land, in welchem das Grüne- Karte- System gilt - einen Schaden erlitten haben, der durch ein Fahrzeug verursacht wurde, welches in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassen und versichert ist, sich mit ihrer Schadenersatzforderung direkt an den von der Versicherung des Verursacher-Fahrzeugs ernannten Schadenregulierungsbeauftragten in Italien wenden. Um den ausländischen Versicherer des Verursacher-Fahrzeugs und dessen Schadenregulierungsbeauftragten in Italien ausfindig zu machen, kann der italienische Verbraucher sich an die Versicherungsaufsichtsbehörde ISVAP wenden.

  • 12) Sollten kleinere Sachschäden aus eigener Tasche bezahlt werden?
    Handelt es sich um Verkehrsunfälle bei denen nur geringer Sachschaden entstanden ist, wie beispielsweise ein kaputtes Spiegelglas, sollte der Unfallverursacher den Schaden niemals aus eigener Tasche an Ort und Stelle bezahlen. Jeder Schaden, egal wie klein er auch ist, sollte der eigenen Versicherung gemeldet werden. Diese wird sich um die Schadensregulierung kümmern. Möchte man anschließend mit der nächsten Jahresfälligkeit die „Malus“-Rückstufung aufgrund des Verkehrsunfalls vermeiden, gibt es die Möglichkeit den ausbezahlten Betrag an die Versicherung zurückzuzahlen. Mit dem System der Direkten Schadensauszahlung muss sich der Versicherungsnehmer an die „Stanza di Compensazione“ der CONSAP wenden, um den ausbezahlten Betrag zu erfahren (Musterbrief diesbezüglich unter www.consap.it). Bei Verkehrsunfällen, ohne direkte Schadensauszahlung muss sich der Versicherungsnehmer an seine eigene Versicherung wenden.
    Bei der Überlegung ob es sich nun auszahlt, den Schaden selbst zu übernehmen und den Betrag an die Versicherung zu zahlen, kann der Schadensrechner der VZS behilflich sein.

  • 13) Ist eine Rechtschutzversicherung hilfreich?
    Eine Rechtschutzversicherung kann vor allem bei Verkehrsunfällen mit ausländischen Fahrzeugen sehr hilfreich sein. Wenn ein Versicherungsnehmer entscheidet, sein Fahrzeug Rechtschutz zu versichern, sollte er sich auf jeden Fall für einen von der Kfz-Haftpflichtversicherung getrennten Versicherungsvertrag bei einer spezialisierten Versicherungsgesellschaft entscheiden, um eventuellen Interessenskonflikten aus dem Weg zu gehen.

  • 14) Was tun wenn es Ärger mit der Versicherung gibt?
    Wenn es Ärger mit der Versicherung gibt, muss der Betroffene nicht gleich zum Richter gehen. Er kann eine Schlichtung beantragen. Eine Schlichtung ist ein Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Im Bereich der Kfz-Haftpflichtversicherung gibt es diesbezüglich ein Abkommen zwischen den Verbraucherorganisationen und dem ANIA (Nationalen Dachverband der Versicherungen).
    Ein weiteres noch spezifischeres Abkommen besteht zwischen der Verbraucherzentrale Südtirol und der Versicherungsgruppe Unipol (dazugehörend Aurora, Unipol, Linear, Navale). Weitere Informationen zu den möglichen Schlichtungsverfahren auf www.verbraucherzentrale.it.
    Des weiteren können sich KonsumentInnen mit einer Beschwerde an die Versicherungsaufsichtsbehörde ISVAP wenden. Diese kann bei nicht ordnungsgemäßen Verhalten der Versicherungsgesellschaften Sanktionen verhängen.



Medien-Information
Bz, 16.09.2010