Einkaufsgemeinschaft Energie erfolglos geblieben
Strom- und Gasmarkt in Südtirol gescheitert – Verbraucherzentrale fordert Stromverbrauchergenossenschaften
Bürger wollen nicht länger Melkkühe der Spekulanten sein


Um den Wünschen zahlreicher VerbraucherInnen entgegen zu kommen hat die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) im vergangenen Herbst eine Einkaufsgemeinschaft für Strom und Gas der Haushaltskunden organisiert. Damit sollten günstigere Strom- und Gaspreise für die VerbraucherInnen angepeilt werden. Denn die Verhandlungsposition der gebündelten Masse schien besser zu sein als jene von Einzelhaushalten. Viele Stromkunden waren auch davon überzeugt. Insgesamt haben sich fast 7.000 Haushalte daran beteiligt. Die VZS hat das Anliegen mit einem beträchtlichen Aufwand weitergetragen.
Ende Januar wurde eine Auktion über 21 Millionen kWh Strom und 3,7 Millionen m3 Gas unter den über 70 auf dem Südtiroler Markt tätigen Verkäufer und noch weiterer durchgeführt. Ende Februar, dem Endtermin, dann die ernüchternde Feststellung. Es gab kein einziges brauchbares Angebot. Allein ein Südtiroler Strom- und Gasverkäufer hat das allen zugängliche Standardangebot eingereicht. Damit blieb die Initiative erfolglos, in diesen Tagen wurden die teilnehmenden Haushalte informiert. Die Südtiroler Konsumentenschützer bedauern es zutiefst, dass durch den mangelnden Wettbewerb die Initiative zum Schaden der VerbraucherInnen abgeschmettert wurde.

In Österreich geht’s sehr wohl
In Österreich ist vor wenigen Monaten eine ähnliche Initiative mit über 260.000 TeilnehmerInnen sehr erfolgreich verlaufen. Dies zeigt, dass dort ein funktionierender Markt existiert, der den VerbraucherInnen konkrete Vorteile bringen kann. So schaut für die Teilnehmenden beispielsweise bei Strom eine Ersparnis von durchschnittlich 131 Euro pro Jahr heraus. Bei uns sind bei einem Stromverbrauch von 3.300 kWh knapp 66 Euro möglich – wobei in Österreich der Strom ohnehin billiger ist als bei uns. Und: alle Teilnehmenden erhalten ausschließlich Ökostrom geliefert.

Strommarkt für VerbraucherInnen gestorben
Zu Tage getreten ist jedoch auch, dass es keinen Markt bei Strom und Gas gibt. Das von der Einkaufsgemeinschaft Energie gebotene Paket an - mit einer gewissen Bonität ausgestatteten - Strom- und Gaskunden hätte eigentlich ein Leckerbissen für die Anbieter am Markt sein können. Aber diese sind anscheinend nicht daran interessiert. Sie geben lieber Unmengen an Geld für manchmal irreführende Werbekampagnen aus. Und sie gehen lieber mit fragwürdigen Geschäftspraktiken und undurchsichtigen Tarifmodellen hausieren, belästigen und verärgern landauf landab die Familien. Damit sollte jetzt Schluss gemacht werden. Der italienische Strommarkt ist für Südtirol als gescheitert zu betrachten. Die Verbraucherzentrale ruft die VerbraucherInnen auf, entsprechende Kontaktaufnahmen von vorne herein unmissverständlich abzulehnen. Damit werden alle Strom- und Gasverkäufer virtuell des Landes verwiesen. Vor allem der Südtiroler Strommarkt muss neu ausgerichtet werden. Jedoch ist auch zu beachten, dass neben dem Strom-, auch der Gasmarkt bei der Aufsichtsbehörde für Strom- und Gas in Mailand und beim italienischen Gesetzgeber in äußerst schlechten Händen ist.

Land soll nicht zuschauen und aktiv werden
Die Landespolitik wird aufgerufen sich um dieses Anliegen der Bürger schnellstens zu bemühen. Als erstes sollte eine Machbarkeitsstudie samt Finanzierungsmodell in Auftrag gegeben werden, um die Südtiroler mittels neuer oder bestehender VERBRAUCHERGENOSSENSCHAFTEN direkt am Strommarkt auftreten zu lassen. Auf diese Weise könnten beträchtliche Kostenfaktoren ausgeschaltet werden. Es geht nämlich nicht an, dass wir in einem Land leben das europaweit Spitzenreiter bei der Stromproduktion aus der günstigen Wasserkraft ist und wo viel mehr Strom produziert als verbraucht wird und die Haushalte gleichzeitig bei den Stromtarifen im europäischen Spitzenfeld liegen.
Nachdem Italien weit die Rufe nach schneller Abschaffung des geschützten Marktes immer lauter werden (siehe letzthin die Antitrustbehörde) zielt der Vorschlag der VZS auch darauf ab, die Stromkunden Südtirols von weiterer Abzocke auf dem freien Markt zu schützen. Außerdem würden die Haushalte durch diese Maßnahme Kaufkraft mäßig gestärkt.

Die Spekulation mit dem weißen Gold
Eine kWh Strom aus Wasserkraft kostet bei der Produktion 1,6 Cent. Die Haushaltskunden zahlen dafür bei einem 3 kW-Anschluss und einem Verbrauch von 3.300 kWh fast 22 Cents, bei 4,5 kW-Anschlüssen - welche viele Südtiroler Haushalte haben - sogar fast 29 Cents. Damit ist von der Produktion bis das Licht in den Südtiroler Haushalten angeht entlang der Kette ein Aufschlag von 1.275%, bei einer Anschlussleistung von 4,5 kW sogar 1.712% zu verzeichnen. In Österreich und Deutschland kennt man die strikte Begrenzung bei der Anschlussleistung auf 3 kW nicht: so können z.B. in Deutschland die Haushalte über 13 kW gleichzeitig aus dem Anschluss ziehen.
Bei diesen Zahlen wird auch verständlich, wie am Strommarkt spekuliert wird, welche Renditen die einzelnen Teilnehmer entlang der Produktionskette einstreichen, wie unklar die Tarifmechanismen sind, und vor allem und welche Margen gegeben wären, um für die VerbraucherInnen Einsparungen zu erwirken. Die Schuld kann man nicht auf die Steuern abschieben. Diese machen beim Endverbraucher gar nur 14 % aus, viel weniger als in den meisten Bereichen. Da kommen sich die Stromkunden ja richtig als Melkkühe der Nation vor.
Legt man die obigen Aufschläge entlang der Produktionskette auf die Milchwirtschaft um, so würde man bei einem Produktionspreis von 0,50 Euro im Geschäft 6,88 Euro bzw. sogar 9,06 Euro für einen Liter Milch zahlen!

Was können Stromkunden tun?

Den Stromkunden bleibt inzwischen nur die Möglichkeit, mittels des entsprechenden Rechners (trovaofferte) auf der Homepage der Aufsichtsbehörde für Strom und Gas (www.autorita.energia.it) und mit der gebotenen Vorsicht, selbst auf die Suche nach den Angeboten am Markt zu gehen. Der Markt gibt derzeit bei Strom ca. 10% und bei Gas ca. 8% an Abschlägen vom Tarif des geschützten Marktes her. Bei den Europa weit an der Spitze liegenden Tarifen in Italien fürwahr kein marktgerechtes Angebot.


Medien-Information
Bozen, 28.03.2014